Gewebegesetz

10.03.07: Debatte um Gewebegesetz

10.03.07: Debatte um das Gewebegesetz

Ergänzt am 11.08.07

Zum 1. August 2007 trat das umstrittene Gewebegesetz in Kraft. Es dient der Umsetzung der EU-Richtlinie 2004/23/EG vom 31. März 2004 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen. In diesem am 10.03.07 angelegten und laufend ergänzten Themenspecial skizzieren wir die Enstehung des Gesetzes und den Verlauf der Debatte bis heute. Ergänzend finden Sie einen umfangreichen Pressespiegel und weitere Hintergrundinformationen.

Worum geht es beim Gewebegesetz?

Zu den Inhalten des Gewebegesetzes zitieren wir nachfolgend aus einer Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 06.07.2007 (unmittelbar nach Verabschiedung des Gesetzentwurfes im Bundesrat):

Mit dem Gewebegesetz werden Inhalte der EG-Geweberichtlinie 2004/23/EG umgesetzt. Dazu ist die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet. Die Umsetzung erfolgt in dem gesetzlichen Rahmen, der schon bisher für Gewebeprodukte besteht, im Arzneimittelgesetz (AMG), im Transplantationsgesetz (TPG) und im Transfusionsgesetz (TFG). Dabei ist durch differenzierte Vorschriften auf die Besonderheiten der Gewebeprodukte Rücksicht genommen worden.

Die wesentlichen Vorschriften sind:

Im Transplantationsgesetz

  • Erweiterung des Anwendungsbereichs des TPG auf Knochenmark und Zellen sowie embryonale, fötale Organe und Gewebe und Festlegung der hierzu notwendigen Regelungen, insbesondere zu Qualität und Sicherheit, unter Beachtung der bestehenden ethischen Grundsätze.
     
  • Gesetzlicher Vorrang der Organspende vor der Gewebespende.
     
  • Beschränkung der Knochenmarkentnahme bei Nichteinwilligungsfähigen.
     
  • Regelung der Anonymität der Gewebespende mit Ausnahme der Samenspende und der Knochenmarkspende.
     
  • Spezifische Regelungen zu Gewebeeinrichtungen und zur Dokumentation der übertragenen Gewebe sowie zur Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und schwerwiegender unerwünschter Reaktionen durch Einrichtungen der medizinischen Versorgung, um mehr Qualität und Sicherheit auch weiterhin gewährleisten und Gewebe zurückverfolgen und mögliche Risiken besser erfassen zu können.
     

Im Arzneimittelgesetz

  • Erweiterung des Anwendungsbereichs des AMG u.a. auf Augenhornhäute sowie auf Gewebe, die im Krankenhaus unter der Verantwortung eines Arztes gewonnen, be- oder verarbeitet und angewendet werden.
     
  • Übersichtliche und vereinfachte Spezialregelung für die Erlaubnis der Entnahme von Geweben, die bei Menschen angewendet werden sollen.
     
  • Übersichtliche und vereinfachte Spezialregelung für die Erlaubnis der Be- oder Verarbeitung von Geweben, die nicht industriell hergestellt werden und deren Be- oder Verarbeitungsverfahren in der Europäischen Union hinreichend bekannt sind (z.B. Herzklappen, Augenhornhäute).
     
  • Neues vereinfachtes Genehmigungsverfahren für das Inverkehrbringen von Geweben, die mit bekannten Verfahren be- oder verarbeitet worden sind, auch mit der Folge, dass diese Gewebe dem Handelsverbot nach § 17 Abs. 1 des Transplantationsgesetzes unterliegen.
     
  • Erleichterte Einfuhrerlaubnis im Hinblick auf solche Gewebe, die bekannt sind und aus Drittländern nach Deutschland eingeführt werden sollen.
     
  • Neue Vorschriften für Gewebeeinrichtungen zur Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und Reaktionen.
     
  • Großzügige Übergangsregelungen für die Erlaubnis und Genehmigung der Gewebe, die von den neuen Vorschriften des AMG betroffen sind, und Besitzstandsregelung für die Hersteller von Geweben und Gewebezubereitungen, die bereits nach geltendem Recht die erforderliche behördliche Erlaubnis und Zulassung erhalten haben.
     

Das Gesetz tritt am ersten Tag des auf die Verkündung (Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt) folgenden Monats In Kraft.

Ende der Pressemitteilung

Rückblick auf die Debatte

Im März 2006 hat das Bundesgesundheitsministerium einen ersten Entwurf für ein Gewebegesetz vorgelegt, das die EU-Richtlinie 2004/23/EG vom 31. März 2004 in nationales Recht übertragen soll. Seit Oktober 2006 gab es einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Gewebegesetz. Dieser Entwurf wurde heftig kritisiert, da hierdurch von verschiedenen Seiten eine Kommerzialisierung der Organspende befürchtet wird.

Am 07.03.07 gab es zum Gewebegesetz eine Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages (Dokumente siehe unten). Dort stieß der Entwurf auf weitgehende Ablehnung. Nach dieser Kritik kündigte des Bundesgesundheitsminiserium an, den Gesetzentwurf zu überarbeiten. Seit Mai 2007 lag nun ein neuer Entwurf des Gewebegesetzes vor, der am 23. Mai im Gesundheitsausschuss des Bundestages beraten werden sollte. Unmittelbar am Tag darauf sollte das Gesetz im Bundestag in zweiter und dritter Lesung zu nächtlicher Stunde verabschiedet werden.

Wie die Ärzte Zeitung online am 16. Mai berichtete, lagen seit der Vorwoche dem Gesundheitsausschuss ein Paket mit 56 Änderungsanträgen von Union und SPD vor, die rechtliche Unklarheiten im Hinblick auf eine Kommerzialisierung beseitigen und die dogmatische Ausrichtung am Arzneimittelgesetz abmildern sollten.

Ergänzung 25.05.07: 2. und 3. Lesung im Bundestag – Gewebegesetz verabschiedet

In einer kurzen Debatte zu später Stunde, bei der alle Reden lediglich schriftlich zu Protokoll gegeben wurden, hat der Deutsche Bundestag am 24. Mai in zweiter und dritter Lesung das umstrittene Gewebegesetz mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und bei Enthaltung der FDP und der Linken verabschiedet. Insgesamt gab es dazu zuvor über 50 Änderungsanträge. Einen Tag zuvor hatte der Gesundheitsausschuss das Gewebegesetz abschließend beraten und den Änderungsanträgen mit großer Mehrheit zugestimmt. Damit wird die so genannte Geweberichtlinie der EU, die Qualitäts- und Sicherheitsstandards festlegt, in deutsches Recht umgesetzt.

Wie die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Annette Widmann-Mauz MdB, und der zuständige Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Gesundheitsausschuss, Hubert Hüppe MdB, in einer gemeinsamen Presserklärung vom 23. Mai mitteilten, hatte die Union in den Beratungen zum Gewebegesetz in den vergangenen Monaten substantielle Verbesserungen durchgesetzt, die sowohl fachlichen als auch ethischen Bedenken Rechnung tragen.

So sei der Vorrang der Organspende vor der Gewebeentnahme nun ausdrücklich im Gesetz formuliert und durch eine Dokumentationspflicht abgesichert. Weiters unterliegen nun nicht industriell bearbeitete Gewebe dem Handelsverbot, womit der befürchteten Kommerzialisierung dieser Gewebespenden ein Riegel vorgeschoben werde. Ausdrücklich klargestellt worden sei auch, dass weder menschliche Ei- und Samenzellen, noch menschliche Embryonen zum Arzneimittel werden. Auch den begründeten Einwänden der Behindertenverbände, insbesondere der Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung, gegen Knochenmarksentnahme bei nicht einwilligungsfähigen Erwachsenen sei nachgekommen worden.

Ergänzung 06.07.07:

Wie das Gesundheitsministerium in einer Presseerklärung am 06.07.08 mitteilte, hat sich der Bundesrat an diesem Tag in seiner Sitzung mit dem Gewebegesetz befasst und keine Einwände gegen das Gesetz erhoben. Nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten tritt das Gewebegesetz zum 1. August 2007 in Kraft.

Ergänzung 02.08.07:

Das Gewebegesetz ist zum 1. August 2007 in Kraft getreten.

Hintergrundinfos und Pressespiegel zum Gewebegesetz

Nachfolgend finden Sie einen ausführlichen Pressespiegel zum Verlauf der Debatte sowie den enstprechenden Auszug aus dem Plenarprotokoll vom 24.05.07 sowie diverse Dokumente und Texte zum Gewebegesetz.

Dokumente zum Gewebegesetz

Pressespiegel zum Gewebegesetz

In einer eigenen Presseschau finden Sie eine Auswahl an Presseartikeln zum Gewebegesetz, chronologisch sortiert. In den „normalen“ Medien war dies bislang noch wenig ein Thema.

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