04.05.13: Experten fordern Gründung eines Bundesinstituts für Transplantationsmedizin – Fachgutachten für nationales Transplantationsregister in Auftrag gegeben
In einem Aufruf in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung FAZ vom 29.04.13 haben der Generalsekretär des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) Rüdiger Strehl, zugleich Vorsitzender des Aufsichtsgremiums der Universitätsmedizin Göttingen, und Rüdiger Siewert, ehemaliger Leiter der Chirurgischen Klinik TU München und jetzt Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Freiburgs, die Gründung eines Bundesinstituts für Transplantationsmedizin vorgeschlagen.
Vor dem Hintergrund der anhaltenden Organspende-Debatte analysieren sie in zehn Punkten die vergangene und derzeitige Situation im Transplantationswesen. Dazu machen sie schließlich konkrete Verbesserungsvorschläge (siehe Artikel unten). Betont wird in einer Fußnote des Artikels, dass die Autoren mit diesem Papier ihre persönlichen Auffassungen vertreten und die Fachgesellschaften, Organisationen und Verbände, in denen sie mitwirken, sich bisher zu konsentierten Positionierungen nicht haben verstehen können.
Der Vorstand der umstrukturierten Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), Rainer Hess, lehnte in einer ebenfalls in der FAZ am selben Tag veröffentlichten Stellungnahme die Einrichtung eines Bundesinstituts für Transplantationsmedizin aus diversen Gründen ab, u. a. weil es Überschneidungen mit anderen Bereichen gebe. Ebenso wies er die Kritik insbesondere an der DSO weitgehend zurück.
Deutsche Stiftung Patientenschutz begrüßt Vorschlag eines Bundesinstituts für Transplantationsmedizin
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz (ehemals Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung), Eugen Brysch, begrüßte dagegen den Vorschlag zur Einrichtung eines Bundesinstituts für Transplantationsmedizin. „Wenn der Generalsekretär des Verbandes der Universitätsklinika und der Ärztliche Direktor eines führenden Universitätsklinikums eine grundsätzliche Änderung des Transplantationssystems fordern, dann muss Bundesgesundheitsminister Bahr endlich aktiv werden“, forderte Brysch in einer Pressemitteilung vom 30. April.
„Die Kritik am System ist gravierend: Die Zuständigkeit der Bundesärztekammer sei falsch. Der Gesetzgeber müsse "politisch-ethische Entscheidungen" selbst treffen, insbesondere bei Fragen von Leben und Tod. Auch an der Kontrolle, die neues Vertrauen schaffen soll, lassen die Experten kein gutes Haar. Die Überwachungskommission "im Nebenamt" sei nicht effektiv. Ein dilettantisches, unprofessionelles und ethisch fragwürdiges Transplantationssystem: Das ist das vernichtende Urteil der Experten“, erläuterte Brysch die Hintergründe der Debatte.
Die Meinung von einzelnen Fachleuten sei gut. Doch jetzt sei es an der Zeit, dass sich die vielen ärztlichen Fachverbände zu Wort melden. „Die meisten Mediziner sind der Meinungsführerschaft von wenigen Interessensvertretern überdrüssig. Viel zu lang wurde dieses Thema der Bundesärztekammer, der Deutschen Stiftung Organtransplantation und der Deutschen Transplantationsgesellschaft überlassen“, kritisierte Brysch. „Mit der Gründung eines eigenen Bundesinstitutes für Transplantationsmedizin kann Bahr endlich beweisen, dass er es mit der Vertrauensoffensive für die Organspende ernst meint. Nur so kann er sich aus der Umklammerung der Besitzstandswahrer lösen“, erklärte er abschließend.
Bundesministerium für Gesundheit gibt Fachgutachten für nationales Transplantationsregister in Auftrag
Unterdessen gab das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) bekannt, dass es am 30.04.13 das Institut für Qualität und Patientensicherheit GmbH (BQS) mit Sitz in Düsseldorf mit der Erstellung eines Fachgutachtens für ein nationales Transplantationsregister beauftragt hat. Wie Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr in einer Presseaussendung hierzu erläuterte, werden derzeit in Deutschland Daten zur Entnahme von Organen, deren Vermittlung, Transplantation und der Qualitätssicherung durch verschiedene Institutionen nach unterschiedlichen Vorgaben erfasst.
„Mit dem Gutachten soll die Einführung eines nationalen Transplantationsregisters vorbereitet werden. Ziel ist es, die Daten so zu nutzen, dass eine Auswertung von der Organentnahme bis hin zur Nachbetreuung nach einer Transplantation möglich wird. Die Erkenntnisse, die aus den Daten gewonnen werden, können helfen, die Qualität der Versorgung in der Transplantationsmedizin zu verbessern“, so der Gesundheitsminister. Ein Transplantationsregister sei „ein wichtiger Schritt, um die Organspende in Deutschland zu stärken“.
Mit dem Gutachten setze das Ministerium ein weiteres Ziel aus dem Spitzengespräch zur Transplantationsmedizin am 27. August 2012 um. Ergebnisse waren damals, die Kontrolle zu verstärken, Transparenz zu schaffen und Vertrauen bei Organspenden zu gewinnen. (Siehe das Themenspecial vom 11.08.12 unten.)
Das vom BMG beauftragte Gutachten soll die komplexe Thematik einer einheitlichen Datenerhebung und -erfassung unter medizinischen, organisatorischen und rechtlichen Aspekten untersuchen. Das mit der Erstellung beauftragte Institut zeichne sich durch Fachkenntnisse in der Transplantationsmedizin und der damit verbundenen Datenflüsse sowie die Qualitätssicherung in diesem Bereich aus. Das Institut werde bei der Gutachtenerstellung durch einen Beirat unterstützt. Dieser setzt sich aus Fachexperten in der Transplantationsmedizin und aus Vertretern der Selbstverwaltung zusammen. Der Beirat ist bis zum 28. Mai 2013 zu berufen. Das Gutachten soll vom BQS-Institut bis spätestens 20. Dezember 2013 vorgelegt werden.
Weiterführende Informationen:
- Aufruf für ein „Rudolf-Pichlmayr-Institut für Transplantationsmedizin“
In Deutschland wurde vertraut und geglaubt, nicht aber systematisch geprüft. Damit muss Schluss sein.
Von Rüdiger Strehl und Rüdiger Siewert
FAZ.NET 29.04.13
Anm.: Dort gibt es auch die Stellungnahme der DSO.
- Themenspecial vom 11.08.12: Steigende Zahl an beschleunigten Vermittlungsverfahren bei Transplantationen – Kommissionen, Bundesärztekammer, Deutsche Krankenhausgesellschaft und GKV-Spitzenverband fordern mehr Transparenz und effizientere Kontrolle