Illustration Gesetzentwurf zur Widerspruchsregelung bei Organspenden

04.04.19: Transparency International Deutschland e.V. warnt: Widerspruchslösung ist de facto bereits Gesetz

04.04.19: Transparency International Deutschland e.V. warnt: Widerspruchslösung ist de facto bereits Gesetz

Die Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland e.V. hält die erneut losgetretene Debatte um die Einführung einer Widerspruchslösung für ein Ablenkungsmanöver. Transparency Deutschland warnt in einer Pressemitteilung vom 03.04.19 vor einem jetzt schon möglichen Missbrauch des Patientenvertrauens im Zuge der Anwendung des neuen Gesetzes zur „Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende“. Sie befürchten, dass Klinikpersonal könnte nun unter Druck gesetzt werden.

Das von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Eiltempo durchgebrachte Gesetz ist am 01. April 2019 in Kraft getreten. Es fordert schon jetzt: Wenn nicht bekannt ist, dass Patientinnen und Patienten mit Hirnschädigung eine Organspende ausdrücklich abgelehnt haben, sollen die Kliniken alles tun, um eine Organspende zu ermöglichen. In der Praxis entspreche dieses Vorgehen einem Verfahren, wie es in Ländern mit Widerspruchslösung praktiziert wird, kritisierte Transparency Deutschland.

Sie sehen bei den am 1. April auf deutschen Intensivstationen angelaufenen Maßnahmen die Gefahr schwerwiegender Interessenkonflikte. „Ärztlich oder pflegerisch Verantwortliche sind zu allererst dem Vertrauen ihrer Patienten verpflichtet. Nichts darf ohne oder gar gegen deren erklärten oder mutmaßlichen Willen geschehen. Entsprechende Versuche Dritter müssen zum Wohle der Patienten in jedem Fall abgelehnt und verhindert werden. Die neuen Rechte und Strukturen fördern gefährliche Sekundärinteressen“, mahnte Dr. Wolfgang Wodarg, Vorstandsmitglied von Transparency Deutschland und ehemaliges Mitglied des Deutschen Bundestages sowie der ehemaligen Enquetekommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“.

Prinzipien ärztlichen und pflegerischen Handelns dürfen nicht zweitrangig werden

Laut dem neuen Gesetz müssen Kliniken einem Dritten, dem Transplantationsbeauftragten, Zugang zu Patientinnen und Patienten und deren Unterlagen eröffnen. Das Klinikpersonal soll dabei mitwirken, dass in Zusammenarbeit mit der vom Gesetzgeber beauftragten privatrechtlichen Deutschen Stiftung für Organtransplantation (DSO) eine sehr belastende Hirntod-Diagnostik durchgeführt wird. Dies auch dann, wenn dazu keine ausdrückliche Zustimmung nach angemessener Aufklärung vorliegt.

Der Gesetzgeber verlangt damit jetzt vom Klinikpersonal die Entscheidung, ob ein ihrer Obhut anvertrauter Mensch als „Organspender“ oder als Patient behandelt wird. Das hält Transparency Deutschland für unzumutbar. „Die Entscheidung zur Organspende muss vom Gesetzgeber so geregelt werden, dass die Prinzipien ärztlichen und pflegerischen Handelns nicht zweitrangig werden. Das Klinikpersonal darf hierbei nicht unter Druck gesetzt werden – auch nicht durch eine wachstumsorientierte Transplantationsbranche“, erklärte Dr. Wodarg abschließend.

Petition gegen Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende

Auch der Arbeitskreis Christen und Bioethik aus Bonn sieht in dem „Zweiten Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes – Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende“ eine faktische Einführung der Widerspruchslösung. Der Arbeistkreis hat daher am 14.03.2019 eine Petition an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages gesandt. Zudem baten sie in einem gesonderten Schreiben Herrn Bundespräsidenten Steinmeier, das geänderte Gesetz nicht zu unterzeichnen, bevor nicht wohl begründet nachgewiesen ist, dass es den im Grundgesetz verankerten Rechten aller Bürgerinnen und Bürger entspricht. Auf die Antwort darf man gespannt sein, denn das Gesetz ist bekanntlich zum 01.04.19 Inkraft getreten.

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